“Revenge-Porn“ – neuer Straftatbestand
28. August 2024
Neuer Straftatbestand im Sexualstrafrecht per 1. Juli 2024: Unbefugtes Weiterleiten und Veröffentlichen von nicht öffentlichen sexuellen Inhalten (Art. 197a StGB)
Während im Zuge der Reform des Sexualstrafrechts per 1. Juli 2024 vor allem die Einführung des Grundsatzes „Nein heisst Nein“ im Zentrum der medialen Diskussion stand, wurde abseits breiter Aufmerksamkeit mit dem neuen Art. 197a Strafgesetzbuch (StGB) eine neue Strafnorm in Kraft gesetzt, die das „unbefugte Weiterleiten von nicht öffentlichen sexuellen Inhalten“ unter Strafe stellt. Seit dem 1. Juli 2024 besteht damit ein neues Hands-off-Delikt innerhalb des Sexualstrafrechts und es wurde eine Lücke im Schutz der Intimsphäre geschlossen, da solche Taten vom bisherigen Recht nicht erfasst worden sind.
Im Zentrum der Ausarbeitung des neuen Art. 197a StGB stand das gesetzgeberische Bestreben, das Phänomen des sogenannten „Revenge Porn“ strafrechtlich besser abzubilden. Der Begriff „Revenge Porn“ umschreibt das unbefugte Weiterleiten oder Veröffentlichen sexueller Inhalte, insbesondere in Form von Bildern und Videos, durch einen ehemaligen Sexual- oder Liebespartner zum Zweck der Rache, des Blosstellens oder auch des Erpressens einer Vermögenszuwendung, wie es zunehmend vor allem unter jungen Erwachsenen festzustellen ist. Die ständerätliche Kommission für Rechtsfragen war in Anbetracht dieser Entwicklung zur Ansicht gelangt, dass weder die bis anhin vorhandenen Mittel des Strafrechts (z.B. als strafbare Pornographie nach Art. 197 StGB oder Ehrverletzungsdelikt gemäss Art.173 ff. StGB), noch jene des Persönlichkeitsschutzes (Art. 28 ff. ZGB) einen ausreichend umfassenden Schutz vor einem solchen Eingriff in die Intimsphäre bieten. Mit dem neu geschaffenen Art. 197a StGB soll dieser Schutz nun ausgeweitet werden. Art. 197a StGB umschreibt dabei zwei Tatvarianten (objektive Tatbestände):
Abs. 1: Unbefugtes Weiterleiten
Die dem Titel der Strafnorm entsprechende mildere Variante, Abs. 1 des neuen Art. 197a StGB, stellt das „unbefugte Weiterleiten“ von nicht öffentlichen sexuellen Inhalten ohne Zustimmung der Person, die Gegenstand des Inhalts ist, unter Strafe. Diese Bestimmung ist als Vergehen ausgestaltet und wird daher mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. Zudem stellt Art. 197a Abs. 1 StGB ein Antragsdelikt dar. Zur Verfolgung und Bestrafung ist also ein Strafantrag durch die betroffene Person vorausgesetzt, welcher innert drei Monaten nach Kenntnis der Straftat gestellt werden muss. Ohne rechtzeitigen Strafantrag kann keine Bestrafung erfolgen.
Als „sexueller Inhalt“ ist dabei jede Darstellung erfasst, die einen sexuellen Bezug aufweist (z.B. durch Abbildung sexueller Handlungen, primärer oder sekundärer Geschlechtsteile oder auf die sexuelle Erregung gerichtete Posen und Tonaufnahmen). Dies gilt unabhängig vom gewählten Medium (Foto, Video oder Tonaufnahmen). Ein solcher Inhalt gilt zudem als „nicht öffentlich“, wenn er nach dem Willen der darin abgebildeten Person für den privaten Gebrauch bestimmt ist und deshalb nur eine bestimmte Person oder ein bestimmter Personenkreis darauf zugreifen können soll.
Die Tathandlung des „Weiterleitens“ umschreibt den Umstand, dass einem nach dem Willen der abgebildeten Person unbefugten Dritten eine Verfügungsmacht über den fraglichen Inhalt verschafft wird. Das Weiterleiten kann sowohl rein digital erfüllt werden (z.B. Versenden von Bildern oder Videos auf WhatsApp, Instagram Direct Message oder E-Mail), als auch durch eine physische Weitergabe (z.B. Übergabe ausgedruckter Bilder oder von USB-Sticks mit entsprechendem Material). Nicht als „Weiterleiten“ verstanden werden kann dagegen das blosse Vorführen des nichtöffentlichen sexuellen Inhalts, wobei das Material auf dem ursprünglichen Gerät gespeichert bleibt und nicht vervielfältigt wird. Wer einen nichtöffentlichen sexuellen Inhalt gegen den Willen der abgebildeten Person z.B. auf seinem Smartphone einem Bekannten zeigt, dürfte demnach den Tatbestand des Art. 197a StGB nicht erfüllen. Ist jedoch der Kreis an Personen, denen durch eine solche Vorführung Zugang zum fraglichen Inhalt verschafft wird, unbestimmt, liegt darin wiederum ein „Veröffentlichen“ im Sinne von Art. 197a Abs. 2 StGB (dazu sogleich).
„Unbefugt“ erfolgt das Weiterleiten, wenn die Drittperson, der durch das Weiterleiten eine Verfügungsmacht über den fraglichen nicht öffentlichen Inhalt verschafft wird, nach dem Willen der abgebildeten Person keine solche hätte verschafft werden dürfen. Die Weiterleitung erfolgt also gegen den Willen der abgebildeten Person, insbesondere ohne deren (vorgängige) Zustimmung.
Abs. 2: Veröffentlichen
Die qualifizierte Variante des neuen Art. 197a StGB stellt das Veröffentlichen eines nicht öffentlichen sexuellen Inhalts unter Strafe. Schärfer ist die Tatvariante nach Abs. 2 deshalb, da sie zwar wie Abs. 1 der Bestimmung mit Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft wird, im Gegensatz dazu jedoch als Offizialdelikt ausgestaltet ist. Zur Verfolgung einer „Veröffentlichung“ nach Art. 197a Abs. 2 StGB wird also kein Strafantrag vorausgesetzt. Die Behörden müssen dementsprechend Ermittlungen aufnehmen, sobald sie Kenntnis von einer solchen Tat haben.
Die Abgrenzung einer „Veröffentlichung“ von einer „Weiterleitung“ erfolgt nach dem Kreis an unbefugten Personen, denen Zugriff zum nicht öffentlichen sexuellen Inhalt verschafft wird: Eine „Veröffentlichung“ liegt dann vor, wenn dieser Personenkreis eine unbestimmte Anzahl von Nichtberechtigten umfasst, wodurch der Fehlbare keine Kontrolle über den Empfängerkreis ausübt. Für das oben erwähnte „Weiterleiten“ genügt der Versand an eine einzige andere Person, bspw. per WhatsApp. Ein „Veröffentlichen“ i. S. v. Art. 197a Abs. 2 StGB liegt hingegen vor, wenn bspw. ein Video mit sexuellem Inhalt auf eine Website hochgeladen oder als Instagram-Story geteilt wird und so zahlreichen oder einer unbegrenzten Anzahl Personen zugänglich gemacht wird.
Subjektiver Tatbestand:
Art. 197a StGB setzt für beide Tatvarianten vorsätzliches Handeln, also ein Tätigwerden mit Wissen und Willen um alle der beschriebenen objektiven Tatelemente voraus, wobei Eventualvorsatz genügt. Darüber hinaus sind keine besonderen Beweggründe, wie z.B. die Weiterleitung oder Veröffentlichung aus Rache oder Bereicherungsabsicht, vorausgesetzt. Obgleich die Schaffung des neuen Art. 197a StGB also dem Zweck nach mitunter auf die strafrechtliche Erfassung des Phänomens „Revenge Porn“ zielt, ist sein Anwendungsbereich keineswegs allein auf dieses Phänomen beschränkt.
Fazit:
Die Schliessung der Lücke im rechtlichen Schutz der Intimsphäre ist zu begrüssen, zumal die frühere Rechtslage von den technologischen Möglichkeiten schon länger überholt worden war. Es bleibt abzuwarten, ob der neue Straftatbestand die abschreckende Wirkung erzielen kann, welche von ihm erhofft wird. Damit dieser Effekt eintreten kann, ist es unabhängig davon, ob ein Fall von Weiterleiten (Abs. 1) oder Veröffentlichen (Abs. 2) vorliegt, entscheidend, dass sich die Betroffenen trotz Schamgefühlen und anderen Hindernissen zu einer Anzeige bzw. zur Stellung eines Strafantrags entschliessen. Nur mit diesem Schritt werden die Strafverfolgungsbehörden in den allermeisten Fällen überhaupt Kenntnis von den Taten erhalten. Dies ist für eine Bestrafung jedoch unerlässlich.
Autor: Janek Huwiler, Sommerpraktikant 2024